Eine Frau reist allein im Terracamper bis in den Iran.
Als ich meine Reise plante, meine Familie und Freunde über die Strecke informierte, waren durchs Band weg alle schockiert, dass ich mit meinem Terracamper den Iran bereisen wollte. Und dies anfänglich noch als Frau alleine! Es gibt wohl kein anderes Land auf der Erde, das mit einem so schlechten Image behaftet ist wie der Iran. Obwohl ich nie Angst oder Bedenken bezüglich meiner Reise nach Persien hatte, so war ich doch gespannt auf die Einreise und das Unterwegs sein als Frau alleine.
Die Einreise erweist sich als ein Spiessrutenlauf von Schalter zu Schalter. Alles verläuft geordnet und sehr respektvoll. Keine Drängeleien, keine Anmache oder andere Frechheiten. Natürlich ist die ganze Zollzone von XY-Chromosom dominiert. Bei der Inspektion des Fahrzeuges, wo ich noch eine Salami am Vorabend in die hinterste Ecke versteckte, plaudern wir über die Specials und Vorteile eines Terracampers. Der Unterbodenschutz, die Solaranlage auf dem Dach, die Küche, die Möbel und das Dachzelt interessieren den netten Zöllner mehr, als was ich in sein Land einführen werde. Nach eineinhalb Stunden werde ich von einer winkenden Menschentraube mit den Worten; „Welcome to Iran“ entlassen.
Zu diesem Zeitpunkt weiss ich noch nicht, wie oft ich diesen Willkommens-Gruss hören werde!
Die Strasse führt steil abwärts aus den Bergen in die erste Stadt Urmia. Der Verkehr wird intensiver. Ich kämpfe nun mit dem hiesigen, völlig chaotischen Fahrstil. Mit jedem Kilometer, den ich dem Zentrum näher komme, sinkt meine Stimmung. Glück weicht der Sorge und Angst um mich und mein Terracamper. Genervt versuche ich konzentriert einen Crash oder gar Schlimmeres zu verhindern. Um Himmels Willen! Gibt es hier den überhaupt keine Verkehrsregeln?
Es wird rechts wie links überholt. Spontanes, unerwartetes Ausscheren und plötzliches Anhalten gehören genauso zur Fahrweise, wie aus zwei Fahrspuren fünf zu kreieren. Wenn die Ampel auf Rot wechselt, wird selten sofort angehalten. Es liegt im Ermessen des Fahrers, ob und wann man die Ampel respektieren will. Wechselt die Farbe bald zu grün, wird wiederum schon früher los gefahren, was dann natürlich unweigerlich zu einem totalen Chaos auf der Kreuzung führt. Es wird gehupt und gedrängelt was das Zeug hält. Jeder noch so kleine Freiraum muss ausgefüllt werden. Es ist offenbar Pflicht, diesen sofort und mit hoher Risikobereitschaft zu besetzten. Wie kann ich diesem ganzen Wahnsinn nur entrinnen?
Meine Nerven liegen blank, als ich völlig erschöpft, aber ohne Schaden, einen grünen Park mitten in Urmia erreiche. Erst einmal schlafen. Morgen sieht die Welt sicher wieder besser aus.
Es ist weit nach Mitternacht. Ich liege im Dachzelt und lausche dem wilden Treiben um mich herum. Erstaunt nehme ich die laute Musik und eine partyähnliche Stimmung wahr. Der Duft vieler Shishas (Wasserpfeifen) , weht verführerisch zu mir. Heute ist doch der erste Tag Ramadan, überlege ich. Natürlich weiss ich, dass man nach Sonnenuntergang essen und trinken darf. Aber Party machen ist das erlaubt? Was ich hier aber wahr nehme, in diesem Park ausserhalb Mashhads, gleicht einer Riesenfete. Ich selber bin gerade von einem herzlichen und absolut köstlichen Abendessen bei einer iranischen Familie zurück gekehrt. Als ich endlich innere Ruhe finde, wird mir schmerzlich bewusst, das ich den Iran bald verlassen muss. Ich war nur einen knappen Monat hier gewesen. Grund genug mir meine wunderbare Zeit noch einmal Revue passieren zu lassen.
Wenn ich an den Iran denke, stehen die Menschen, ihre unendliche Gastfreundschaft und Herzlichkeit unumstritten im Vordergrund. Ich habe noch kein Volk kennen gelernt, das so offen, ehrlich und bedingungslos Fremden gegenüber gibt! Ich wurde als Frau und Reisende von allen Iranern respektiert und geachtet. Schliesslich gibt es auch in unseren Breitengraden eine Wenigkeit rüpelhafter Machos oder religiösen Fanatiker. Ich habe weder das eine noch das andere im Iran kennen gelernt.
So viele Begegnungen bleiben mir unvergesslich, weil sie unerwartet, intensiv und spontan entstanden sind, wie die Einladung der Familie heute Abend, oder der hilfsbereite Mann in Tabriz, der mich zum Hotel führte, oder der Safran Verkäufer mit seiner Familie in Esfahan bei denen wir übernachtet hatten oder, oder, oder …
Das kulturelle Erbe, der vielen Herrscher Persiens, ist einmalig und deshalb so faszinierend, weil es sich so von unserem westlichen Unterscheidet. Die unglaublich faszinierenden und in ihren Dimensionen erstaunlich grossen Paläste, Moscheen und Brücken verzaubern auf eindrückliche Weise. Ich bin nicht unbedingt die Person, die sich tagelang mit kulturellen Bauten aufhält. Aber hier bekam ich irgendwie nie genug davon.
Die Natur, wie die Lut Wüste, bezeichne ich als mein landschaftliches Highlight. Die hoch aufragenden Yardang Formationen, lassen das karge Gebiet, in eine Zauberwelt aus Schlössern und Burgen verwandeln. Wenn die Sonne den Horizont küsst, wird das grelle, mörderische Licht des Tages in ein warmes Meer aus Orange, weicht die schweisstreibende Hitze einer angenehmen Kühle und die Einsamkeit und Stille wird zu deinem besten Freund. Es ist ein unglaubliches Vergnügen in dieser unendlichen Weite, alleine mit einem top ausgerüsteten Fahrzeug die Gegend zu erkunden. Wer keine Wüstenerfahrung hat, sollte definitiv nicht alleine unterwegs sein. Die Gefahr sich zwischen den Felsformationen zu verirren ist nicht zu unterschätzen. Es war einfach genial wieder einmal im Sand, ohne Piste und Weg zu fahren. Sandbleche und Schaufel hatten wir natürlich dabei! Unser GPS würde den Weg zum Asphalt in jedem Fall wieder finden. Die Wüsten haben weltweit schon immer einen ganz speziellen Reiz auf mich. Vielleicht weil der Gegensatz zwischen Grausam und Schön, zwischen Leben und Tod so spürbar nah ist.
Die bizarre steinige Bergwelt, mit den Schneespitzen war als Kontrastprogramm zur Wüste einmalig. Für uns Schweizer aber nicht ganz so fesselnd wie die weissen, unendlichen Weiten der Salzseen.
Was mir im Iran aber immer Sorge bereitete, war der lokale Fahrstil. Bis zum Schluss konnte ich mich an das Chaos in den Städten nicht gewöhnen. Das Glück war auf meiner Seite. Ich hatte weder einen Crash noch sonstige Probleme mit dem Terracamper.
Dankbar packe ich diese Erfahrungen, Erlebnisse und Begegnungen in den Koffer meines Herzen. Sie bleiben bis an mein Lebensende lebendig, unauslöschlich, intensiv und klar verborgen.
von Yvonne Frei, www.trip-top.ch